Die Studienrichtung «Sport Management» an der FH Graubünden, die ich in den letzten Jahren mitaufbauen durfte, ist ein Pilotprojekt eines Blended-Learning-Studiums an unserer Fachhochschule. Eine Kombination aus Präsenzunterricht, begleitetem und selbständigen Selbststudium mit einem Anteil von 30% physischer Präsenz.

Wobei genau genommen jedes Studium Blended Learning beinhaltet – Präsenzunterricht und Selbststudium – jedoch in einem anderen Verhältnis, das eher gegen 50/50 geht.

Für die Studierenden, welche bei nicht präsenzpflichtigen Lehrveranstaltungen nicht anwesend sein können – z.B. unsere Spitzensportlerinnen und -sportler – übertragen wir den Unterricht live (Streaming) und zeichnen diesen auf, damit die Studierenden die Recordings später anschauen können.

Vielleicht war auch deshalb für uns Dozierende nicht so schwierig, auf Distance Learning oder Online-Unterricht umzustellen.

Und natürlich ist das mit technisch affinen jungen Erwachsenen auch einfacher als mit Unterstufenschülerinnen und -schülern…

Wobei die Umstellung der ganzen Fachhochschule auf dieses System schon ein Kraftakt war, der nicht ohne Schwierigkeiten ablief.

Mein erster Online-Unterricht, unter Beizug einer Gastreferentin – die eigentlich nicht referierte, sondern Fragen in einer durch die Studierenden moderierten Plenumsdiskussion beantwortete – reduzierte sich schnell auf eine Diskussion im schriftlichen Chat. Ursache war eine Störung im Netz und eine damit verbundene reduzierte Bandbreite, die nachträglich nachgewiesen werden konnte.

Um solchen Problemen vorzubeugen bzw. einer Überlastung eines Tools vorzubeugen, hatte unsere Fachhochschule entschieden, für Distance Learning «Webex» zu verwenden, da nachweislich die meisten Hochschulen auf «Zoom» setzten.

Nur hatte sie übersehen, dass die meisten Unternehmen, und damit Tausende von Mitarbeitenden, ebenfalls mit Webex arbeiten…

In unserer Task Force «Didaktik», in welcher ich mitarbeite, haben wir uns klar für Zoom entschieden – benutzerfreundlicher, stabiler, bessere Bildqualität und mehr Möglichkeiten für kooperativen und interaktiven Unterricht.

Doch die übergeordnete Arbeitsgrupp lehnte unseren Antrag, uns einige Zoom-Lizenzen zum Testen zur Verfügung zu stellen ab. Damit blieb es bei der ursprünglichen Entscheidung: die FH Graubünden unterrichtet weiterhin mit Webex.

Übrigens: Die Bezeichnung «Task Force», die ursprünglich im Militär entstanden ist, vermittelt mir eher eine Verstärkung der aktuellen Krise als ein Unterstützungsangebot. Tönt für mich viel dramatischer als „Arbeitsgruppe“.

Ich habe mir trotzdem eine Zoom-Lizenz gekauft. Privat. Ziviler Ungehorsam.

Auch gegen die Einwände, dass wir die Studierenden nicht immer wieder mit neuer Technik und damit zusätzlichen Herausforderungen konfrontieren sollten.

Meine Meinung: Das ist doch super, dass sie etwas Neues lernen, mit einem neuen Tool arbeiten dürfen. Ein neuer Lernreiz, Neues macht neu-gierig, Lust auf mehr.

Ich habe übrigens beide Tools vorher auch nicht gekannt, musste – nein, durfte – auch beide neu erlernen.

Und der erste Einsatz von «Zoom» führte dazu, dass meine Klasse mich fragte, ob ich nicht auch die anderen Dozierenden davon überzeugen könne, ebenfalls damit zu unterrichten. Was ohne grosse Überzeugungsarbeit jetzt der Fall ist.

Denn eine Umstellung war es für die Studierenden nicht. Aber eine Verbesserung. Der Unterricht funktioniert jetzt echt gut.

Was wird ein funktionierendes Distance Learning über eine – erwartete – längere Zeit auf bewirken?

Werden die Studierenden mehr Unterricht in dieser Form fordern, um örtlich, und im Falle von Aufzeichnungen auch zeitlich, ihr Studium noch flexibler gestalten zu können?

Denn es hat sich ja gezeigt, dass es auch Präsenzunterricht geht. Dass es den Aufwand, für zwei Tage pro Woche aus dem Wallis, aus Bern oder Basel nach Chur zu reisen, gar nicht braucht.

Und dass die Online-Meetings meist effizienter sind und weniger Zeit benötigen.

Oder wird das Pendel auf die andere Seite ausschlagen? Freuen sich die jungen Menschen wieder auf physische, soziale Kontakte, auf den direkten Austausch mit Peers und Dozierenden?

Auf Präsenz, die über die geistige hinaus geht.

Ich vermute, dass beides eintreffen wird. Vielleicht auch je nach Studienrichtung unterschiedlich. Technisch und digital affine Studien (z.B. Multimedia Production, Digital Business Management) werden unter Umständen noch digitaler, bauen vermehrt Elemente des Distance Learnings ein.

Was ich auch als Chance für die Weiterbildung sehe.

Unsere angehenden Sportmanagerinnen und -manager haben in den letzten Jahren schon mehrfach unterstrichen, wie wichtig ihnen der persönliche Kontakt und Austausch ist, haben Wissenserwerb mit Videos verweigert, virtuelle Räume für die Zusammenarbeit durch physische ersetzt und schleppen lieber gedruckte Bücher mit sich rum als E-Books zu lesen.

Bildung wird sich ändern, da bin ich mir sicher.

Mit der Gefahr, dass diese Veränderung eine grundlegende – und notwendige – verhindert.

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