Das war mein erster Gedanke, als ich ein neues Buch zu lesen begann.
«Passt eigentlich auch…»
Vielleicht nicht unbedingt (nur) zur aktuellen Situation, sondern vielleicht eher zu dem doch sehr speziellen Präsidenten mit der blonden Mähne und seinem Verhalten in der aktuellen Situation.
Oder zu Situationen, die viele von uns vielleicht auch schon erlebt haben.
Dass ich das Buch «Die Psychologie der Dummheit» ausgewählt habe, liegt wohl daran, dass Daniel Kahnemann einer der Autoren ist (siehe auch meinen Blog vom 25. August 2019). Einer unter vielen.
In seinem Vorwort («Warnung an den Leser») schreibt Jean-Francois Marmion:
«Dummheit ist ein Versprechen, das nicht eingelöst wurde: das Versprechen von Verstehen und Vertrauen, preisgegeben vom Dummkopf, dem Verräter der menschlichen Natur.»
Der Dummkopf ist nach Marmion ein Mensch, den wir uns gerne zum Freund machen würden – aber nicht können, weil er nicht mit uns auf Augenhöhe ist. Denn gegen seine Krankheit ist kein Kraut gewachsen, zumal er sich als der einzige Einäugige in einer Welt voller Blinder sieht. Die perfekte Tragikomödie!
Doch der Dumme strahlt eine gewisse Faszination aus, die auf einer Scheinexistenz, einem geistigen Nichts und einem grossspurigen Anspruch, alle anderen Menschen, die wirklich etwas geleistet haben, auf sein bescheidenes Niveau herunterzuziehen, basiert.
Der Dummkopf, so Marmion, urteilt aufgrund der Differenz zu seiner Überzeugung sofort und ohne mildernde Umstände über andere, ist aber nicht damit zufrieden, anderen das Leben zu vermiesen. Zu seinem wirklichen Glück gehört, dass er stets nur mit sich selbst zufrieden ist, unerschütterlich, selbstsicher.
Weil er immer glaubt, im Recht zu sein.
«Der Zweifel macht irr, Gewissheit macht dumm.»
Er weiss besser als anderen, wer diese sind und was gut für sie ist. Widerspruch hat Verachtung, Beleidigung und Züchtigung zur Folge – natürlich zu Nutzen der anderen. Glaubt der Dumme.
Verändern kann man einen Dummkopf nicht. Denn der eigene Anspruch, ihn zu verstehen und zu wissen, wie er denken und sich verhalten müsste, führt dazu, dass man selbst zum Dummkopf wird, weil man sich mit ihm identifiziert.
Und dass man damit seine Haltung stärkt.
Marmion wählt klare Worte:
«Wer die Dummheit bekämpft, bestärkt sie nur. Je heftiger wir gegen die Dunkelheit angehen, desto mehr frisst sie uns auf.»
Jean Cottraux geht in seinem Beitrag auf einen speziellen Dummkopf ein – den Narzissten. Denn wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Dummkopf sich «durch von Selbstherrlichkeit geprägte Fantasien und Verhaltensweisen auszeichnet, begleitet vom Bedürfnis, bewundert zu werden und einen Mangel an Einfühlungsvermögen.»
Narzissmus wird als Persönlichkeitsstörung eingestuft und in drei Typen unterteilt.
- Der bösartige und grössenwahnsinnige Typ, der manipulativ handelt, andere ausbeutet, kein Mitgefühl oder Herzenswärme besitzt. Er lebt in einer permanenten Selbstüberschätzung und glaubt, immer Recht zu haben. Sieht er sich mit Widerstand konfrontiert, zieht er sich zurück, um keine Risiken einzugehen.
- Der zweite Typ setzt sich zu hohe Ziele und ist extrem perfektionistisch. Dies führt zu Instabilität, Fragilität, Depression, Neid und überspitze Kritik an anderen. Wenn sie sich bedroht fühlen, verdecken sie ihre Unterlegenheitsgefühle durch Selbstherrlichkeit.
- Die hochfunktionalen Narzissten streben ständig nach Macht, treten selbstherrlich auf, sind aber intelligent, energisch, ohne sozialen Probleme und streben nach Selbstverwirklichung.
In der Berufswelt unterscheidet man zwei Erscheinungsformen von Narzissten – der Angeber und das Arschloch. Der erste biedert sich bei seinen Vorgesetzten an, unter dem zweiten leiden die ihm unterstellten Mitarbeitenden. Die Störung des ersten kann der Vorgesetzten zu seinen Gunsten nutzen, beim zweiten hilft nur noch die Flucht.
Erleben wir heute mehr Dummheit als früher, fragt sich Jean-Francois Marmion. Als anders im Vergleich zu früher schätzt er ein:
«Neu an unserer Zeit ist, dass ein Dummkopf und ein roter Knopf genügen, um die Dummheit mitsamt der ganzen Welt auszulöschen. Ein einziger Dummkopf, gewählt von Kälbern, die sich einiges darauf zugutetun, ihren Metzger selbst zu wählen.»
Das gilt jedoch nicht nur für die Weltpolitik, sondern auch in unseren alltäglichen, kleinen Gremien, in denen wir Entscheidungen fällen (müssen).
Auch in diesen reicht ein Dummkopf oder Narzisst, der überwiegend auf sich selbst – und nicht auf die Sache – fokussiert ist, der durch seine manipulative Art eine auf einer ausgewogenen Diskussion basierenden Entscheidungsfindung verunmöglicht.
Der aufgrund der Differenz zu seiner Überzeugung sofort und ohne mildernde Umstände über andere urteilt.
Der besser als alle anderen weiss, wer die anderen sind und was für diese gut ist.
Der immer glaubt, im Recht zu sein.
Und der nicht bekämpft oder verstanden werden kann, weil man sich dadurch selber zum Dummkopf machen würde.
Weil damit die Position des Dummkopfes nur noch gestärkt würde.
Deshalb hilft in dieser Situation nur noch die Flucht.
Diese Einsicht tröstet vielleicht auch darüber weg, etwas loszulassen, wofür man sich mit Herzblut engagiert hat.
Weil die Hoffnung von damals, dass das Versprechen eingelöst würde, sich nun nicht erfüllt hat.
Das Versprechen von Verstehen und Vertrauen.