Nochmals ein Blick zurück auf das letzte Modul unseres CAS «Sport Management 4.0», in dessen Rahmen mit den Teilnehmenden auch die Frage diskutiert wurde, ob es zwischen Management bzw. Leadership im Sport und Management bzw. Leadership in der restlichen Wirtschaft einen Unterschied gebe.
Ein Frage, welche auch die Studie «Aligning competence-oriented qualifications in sport management higher education with industry requirements: An importance–performance analysis» (Wohlfart, Adam, Hovemann, 2021) ins Spiel brachte: Braucht es ein spezifisches Sportmanagement und entsprechende Ausbildungen dazu oder kann nicht einfach unternehmerisches Management im Sport angewandt werden?
Bevor diese Fragen diskutiert werden können, muss man sich bewusst werden, was den Sport auszeichnet, was ihn so besonders macht.
«Sport» als Produkt oder Gut wird simultan produziert und verbraucht, d.h. wenn ein Fussballspiel von zwei Teams «produziert» wird, wird dieses von Fans und Zuschauern gleichzeitig konsumiert. Diese helfen damit auch, das Produkt zu produzieren.
Wie das Spiel ausgehen wird, bleibt unberechenbar bzw. ist subjektiv von den eigenen Erwartungen und Prognosen abhängig. Und oft ist der Ausgang unabhängig von der tatsächlichen Leistung. Die Erwartungen der Verbraucher sind zudem unterschiedlich, da diese Gruppe sehr heterogen ist. Dazu kommt, dass sich die Verbraucher als Experten sehen – ähnlich wie in der Bildung, wo jeder, der selbst einmal die Schule besucht hat oder Elternteil eines schulpflichtigen Kindes ist, sich zum Bildungsexperten ernennt.
Sport ist damit nicht greifbar, subjektiv und heterogen, inkonsistent und unvorhersehbar, volatil (instabil, flüchtig) – und hoch emotional. Durch die Berichterstattung in den Medien (Zeitungen, TV, Radio) hat der Sport zudem einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft.
Diese Charakterisierung zeigt, dass «normales» Management nicht einfach auf den Sport übertragen werden kann, sondern ein spezifisches Verständnis für den Sport, seine Erscheinungsform, seine Ausprägung und seine Emotionalität notwendig ist.
Dies zeigt sich auch in den Ansprüchen an Führungspersonen im Sport.
Die laufende Fussball-Europameisterschaft offeriert uns ein vielfältiges Beobachtungsfeld für Leadership im Sport. Braucht es hoch emotionale Trainer wie Luis Enrique, der an der Seitenlinie herumtanzend und gestikulierend versucht, das spanische Team zu führen oder ruhige, fast steinern wirkende Leader mit Anzug und Krawatte wie der Trainer der Schweiz, Vladimir Petković? Oder Trainer, die wie der Holländer Frank de Boer nach dem Ausscheiden seines Teams zu seinem Misserfolg steht oder eher jemanden wie den Portugiesen Fernando Santos, der nach der Niederlage seines Teams im Achtelfinal von einem ungerechten Resultat spricht?
Die Antwort auf diese Frage liegt aus meiner Sicht ebenfalls in der Charakteristik des Sports. So heterogen wie dieser ist, so heterogen sind auch die Persönlichkeiten, die in diesem Führungsaufgaben verantworten. Und was «richtig» oder «falsch» ist bzw. war, bestimmt der (unberechenbare) Erfolg, der, wie bereits erwähnt, oft unabhängig von der tatsächlichen Leistung (auch des Trainers) ist.
Und wer etwas genauer hinschaut, erkennt, dass nicht allein das Verhalten des Trainers bestimmt, wie ein Team geführt wird. Denn Leadership beginnt nicht erst auf dem Platz (wo die direkte Einflussnahme limitiert ist), sondern prägt das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern bereits in der Vorbereitung, im täglichen Zusammensein während eines Turniers, aber auch in der Zeit, in denen der Nationaltrainer weniger Einfluss auf seine Spieler nehmen kann. Diese Beziehung ist bedeutender als das, was der Trainer an der Seitenlinie oder nach dem Spiel sagt und macht.
Und Führung ist nur möglich, wenn sie auch zugelassen wird. Lassen sich die Spieler von ihrem Trainer führen oder nehmen sie selbst Führungsverantwortung wahr? Ist der Captain der verlängerte Arm des Trainers oder ist er der eigentliche Leader? Oder führen sich die Spieler gar selbst, verfügen sie über Leadership, verfügen sie über Werte und Überzeugungen und leben diese mit ihrem eigenen Handeln vor?
Das müsste aus meiner Sicht das Ziel eines wirklichen Leaders bzw. eines Trainers im Sport sein – Persönlichkeitsentwicklung statt Führung.