Als die Krise begann, war ich schon mitten drin.
In der Schreibkrise schon seit Jahren. Doch davon später.
Und in einer persönlichen.
Wobei «Krise» vielleicht nicht der richtige Begriff ist. Nicht für mich. Eher eine Neuorientierung. Oder eine Orientierung zu sich selbst. Zu mir.
Und in dieser Krise zu einem neuen Sozialverhalten. Zu einem, dass es schon einmal gab auf dieser Welt. Zu mehr Solidarität, zu einem Zusammen, zu einem Gemeinsam, zu mehr Einigkeit.
Das, was man während der Krise den Menschen für das Nach der Krise voraussagte. Einem Grossteil wenigstens. Und in dem man etwas Positives sieht.
Oder wie es die Chinesen sagen: eine Chance.
Denn das chinesische Schriftzeichen für Krise beinhaltet zwei Silben, die einzeln gelesen die Worte Gefahr und Chance bedeuten. Oder wie es zeit.de noch etwas genauer erklärt:
Krise wird mit weiji 危机 übersetzt, Chance mit jihui 机会. Beiden gemeinsam ist also das Zeichen ji 机 , das unter anderem Gelegenheit bedeutet. Wei dagegen heisst Gefahr, sodass in weiji die Bedrohung, aber auch ein Element der Wende zum Besseren enthalten ist; hui wiederum wird ebenfalls mit Gelegenheit übersetzt, bei diesem Wort liegt also eine Art Bedeutungsverdoppelung vor.
Übrigens: Auch das griechische Wort krisis bezeichnet nicht das, was wir unter diesem heute verstehen, sondern den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Lage. Womit es in oder nach einer Krise eigentlich nur noch besser werden kann.
Als Chance sah ich die Krise auch für mich.
Bis die Krise kam.
Obwohl ich nicht zur Risikogruppe gehöre. Dazu fehlen mir noch zwei Jahre. Nie hatte ich gedacht, dass die letzten zwei Jahre vor der Pensionierung einmal so bedeutend werden.
Und mit meiner regelmässigen sportlichen Tätigkeit, einer grundsätzlich gesunden Lebensweise (was immer das heisst bzw. wer immer das beurteilt) und den in den letzten zwei Monaten ohne Medikamente zwei verarbeiteten Erkältungen müsste mein Immunsystem stark genug sein, auch bei einer Ansteckung mit dem Virus damit zurechtzukommen.
Lässt sich aber nur vermuten. Wenn dem nicht so ist, wird mir die Einsicht nichts mehr nützen.
Kann denn die Linie so genau bei 65 Jahren gezogen werden? Gehöre ich am Tag meines 65igsten Geburtstages noch nicht zur Risikogruppe, nachher aber schon?
Und ist der sportliche, gesund lebende 68jährige stärker gefährdet als der zu Hause sitzende, inaktive, rauchende und im Übermass Alkohol trinkende 63jährige.
Oder macht diese Grenze einfach Mut? Den unter 65jährigen mit risikoreichem Lebenswandel. Oder sensibilisiert es die gesund lebenden über 65jährigen verstärkt aufzupassen?
Wobei – was heisst Risiko?
Grundsätzlich wird damit die Möglichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses verstanden, welches negative Auswirkungen hat. Risiko steht der Sicherheit (dass dieses Ereignis nicht eintrifft) gegenüber.
Risiko wird von einigen Wörterbüchern auf das lateinische, aber nicht belegte risicare oder resecare zurückgeführt, was «in Gefahr laufen» oder «etwas wagen» bedeutet. Oder auf das altgriechische ῥίζα (rhiza) für «Wurzel» oder «Klippe».
Beides könnte ein Risiko darstellen – die Wurzel für den Fussgänger (zu stolpern), die Klippe für Seefahrer (aufzulaufen).