Wird die Welt nach der Coronakrise eine andere sein?

Werden wir als Menschheit zusammenrücken, uns solidarischer verhalten?

Werden wir vermehrt von zuhause aus arbeiten?

Wird der Präsenzunterricht durch Distance Learning ersetzt?

Wird es keine Sportgrossanlässe mehr geben?

Wird sich der Profisport durch die Krise verändern?

Fragen wie diese tauchen immer öfters auf, verbunden auch mit der Hoffnung, «dass die Krise auch etwas Gutes hat».

Werden wir aus dem, was passiert ist, etwas lernen?

Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich, verneint dies im Interview mit der SonntagsZeitung vom 24. Mai 2020:

«Ich rechne nicht damit, dass die Menschen dramatische persönliche Veränderungen einleiten werden. Wir sind viel zu phlegmatisch, viel zu anpassungsfähig, von Gewohnheiten gesteuert.»

Jäncke erklärt dies mit der Neigung unseres Gehirns, das, was sich bewährt hat, immer wieder zu wiederholen. Dies mache auch Sinn, da dadurch das Gehirn vor neuen Entscheidungen verschont wird.

Veränderungsresistenz.

Oder zumindest die Schwierigkeit, sich auf die Veränderungen einzulassen. Das ist ja nichts Neues, könnte aber – falls die Prognosen von Lutz Jäncke eintreffen – wieder einmal (über)deutlich werden.

Zumindest im Arbeitsleben beurteilt Jäncke gewisse Veränderungen als möglich. So zum Beispiel, dass unnötige Reisen durch Videokonferenzen ersetzt werden.

In der gleichen Ausgabe der SonntagsZeitung geht Heike Bruch, Professorin für Leadership und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen auf die Perspektive ein, dass Unternehmen ihre Unternehmenskultur nach und wegen der Krise ändern werden.

Sie glaubt, dass die Bewältigung der Coronakrise allenfalls zum Sprungbrett für das Etablieren einer neuen Kultur werden kann. Und dass, falls diese Chance genutzt wird, die Transformation schneller und nachhaltiger vollzogen werden kann als bisher.

Doch dafür muss bereits eine Vertrauenskultur vorhanden sein beziehungsweise jetzt – während der Krise – aufgebaut werden. Was virtuell nicht so einfach ist.

Denn Wertschätzung, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und eine offene Kommunikation, so Bruch, wirken in Situationen wie der aktuellen besonders stark. Mitarbeitende schauen verstärkt auf ihre Führungskräfte, deren Handeln jetzt eine ausgeprägt starke Symbolik hat.

«Die Gefahr, dass das Vertrauen in dieser Zeit erschüttert wird, ist viel grösser. Daher gilt es umso mehr, besonders reflektiert und bewusst zu führen. Dabei hilft es, regelmässiges Feedback einzuholen und sich vermehrt auch explizit über Führung auszutauschen. Eine Isolation an der Spitze ist bei der gegenwärtigen Virtualisierung nämlich auch wahrscheinlicher und das passt überhaupt nicht zu den aktuellen Anforderungen.»

Die Vertrauenskultur wird (mit)entscheidend sein, ob sich unsere Arbeitswelt verändern wird.

Gibt es in unserem Unternehmen diese Vertrauenskultur?

Wird den Mitarbeitenden die Selbstkompetenz zugeschreiben, um in flexiblen Strukturen zu arbeiten?

Und verfügen diese über diese Kompetenz?

Wird mit Vision, Inspiration, Wertschätzung und der Möglichkeit, Sinn in seiner Arbeit zu finden, geführt?

Während der Krise wurden wir auch in unserer Arbeitswelt immer wieder mit direktiven, für alle Mitarbeitenden und für jede Situation verbindlichen Anweisungen konfrontiert.

Um die Prozesse sicherstellen, den Support gewährleisten und die Kontrolle ermöglichen zu können, hiess es.

Nun wird sich zeigen, ob dies die einzigen Prämissen dieser Entscheidungen waren. Oder ob nicht (auch) Macht und Kontrolle als Treiber wirkten.

Gerade in Expertenorganisationen wie Bildungsunternehmen will Vielfalt gelebt werden. Einerseits, weil die Expertise in solchen Organisationen bei den Experten – und nicht bei der Führung – liegt und diese in direktem Kontakt mit ihren «Kunden» arbeiten, deren Puls spüren.

Andererseits, weil diese Individualisierung auch von den Experten in ihrem Umgang mit den Studierenden und Lernenden verlangt wird.

Ich bin gespannt auf unser Meeting von nächster Woche, in welchem es darum geht, was wir aus dem «Distance Learning» gelernt haben, wie wir damit weiterfahren und welche Tools wir auch in Zukunft sinnvoll nutzen könnten.

Als Berater für Organisationsentwicklung verfolge ich gespannt, was in Unternehmen aktuell geschieht und nach der Rückkehr zur erhofften Normalität geschehen wird.

Denn es reicht nicht aus, die Herausforderungen der Krise bewältigt und die Ausnahmesituation überlebt zu haben. Sieht sich ein Unternehmen bei einer nächsten Krise mit den gleichen Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert, hat es als Organisation nichts gelernt.

Werden Proficlubs zu lernenden Organisationen, die in Zukunft mit neuen Lohnmodellen arbeiten und Spieler zu Mitunternehmern machen?

Werden KMUs lernen, nicht weiterhin von Hand in den Mund zu leben und Rückstellungen für aussergewöhnliche Zeiten zu bilden?

Wird sich der Tourismus von der Vorstellung lösen, auf Basis der Zahlen aus der Vergangenheit Prognosen für die Zukunft zu formulieren, deren Nichteintreffen dann mit äusseren und unvorhersehbaren Umständen erklärt werden muss?

Werden sich Sport und Kultur mit alternativen und innovativen Veranstaltungskonzepten befassen, die trotz möglicher Restriktionen (nicht nur durch ein Virus) Erlebnisse ermöglichen?

Und zeigen Bildungsinstitutionen auf, dass sie neben lehrende auch lernende Organisationen sind?

Damit wir uns, so der österreichische Zeitforscher Franz J. Schweifer, bewusst werden «wozu» statt «warum» uns diese Krise getroffen hat.

«Was», so fragt Schweifer, «wenn sich die Leerzeit, die viele gerade erleben, als Lehrzeit entpuppt?»

Und beschreibt als Zeitforscher die Charakteristik der aktuellen Situation zutreffend mit:

«Paradoxe Zeiten.
In der Krise muss man mit allem rechnen –
selbst mit dem Guten.»

 

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